In mir wächst der Wunsch, wieder mal ein paar Tage raus in die Natur zugehen. Ich habe mächtig Lust auf ein kleines Abenteuer und eine Challenge. Ich möchte meine körperlichen und geistigen Grenzen testen, auf meinen Körper hören und mal schauen was möglich ist. Das Ziel: Drei Tage Outdoor und Survival mit nur drei Gegenständen – ein Messer, eine Trinkflasche und ein Feuerstahl. Kein Essen, kein Schlafsack, keine Iso Matte und das bei Temperaturen um den Gefrierpunkt! Die Natur wird jederzeit respektiert und ich möchte keine Spuren hinterlassen. Es werden keine Bäume gefällt. Als Bau- und Feuermaterial dient, nur was auf dem Boden liegt. Um die Sache noch interessanter zu machen, werde ich zu spät aufbrechen. So bleibt mir nur wenig Zeit ein Camp für die Nacht einzurichten. Es wird spannend zu sehen, warum ich welche Entscheidungen treffen werde.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Survival ist nicht Teil des Workshops für Burnout oder Burnout Prävention.
Vorbereitung
Die Wetterprognose für Samstag und Sonntag ist sonnig, teilweise bewölkt. In der Nacht auf Montag ist ein wenig Regen zu erwarten. Die Tageshöchsttemperatur schwankt zwischen 10°C und 19°C. In der Nacht wird es sehr kalt. Gewitter sind keine zu erwarten. In letzter Zeit gab es in der Umgebung einige Felsstürze. Es ist mit Steinschlag zu rechnen – also muss ich einen sicheren Ort finden. Ausserdem sind Waldbrandgefahr sowie Wild- und Naturschutzgebiete, besonders sensible Hochmoore und Pilzschonzeiten zu beachten. Eine gute Übersicht inklusive Karte findest du hier auf der SAC-Website.
Ich packe meine drei Gegenstände sowie das Telefon und dem Laptop ein. (Wer hätte gedacht, dass ich jemals einen Laptop mitnehmen werde und einen Blog schreibe?)
Auf geht das Abenteuer
Ich marschiere über eine Stunde durch einen wunderschönen und märchenhaften Wald, bis zur Waldgrenze. Die bereits untergehende Sonne scheint durch die Arven. Ich habe einen Platz gefunden, es ist aber sehr windig. Wind bedeutet kälte. Ich gehe nach folgender Struktur vor: Der Körper funktioniert 3 Wochen ohne Nahrung, 3 Tage ohne Wasser, 3 Minuten ohne atmen. In den Alpen ist die Kälte ein kritischer Faktor. Ich entscheide mich zuerst einen einfachen Unterstand zu bauen. Dazu benötige ich etwas Holz für eine Rahmenkonstruktion. Um mich vor dem Wind zu schützen, schneide ich Gras und lege es über die Holzkonstruktion. Es wird langsam dunkel, die Zeit rennt. Ich arbeite konzentriert und schnell, ohne mich in die Finger zu schneiden. Hunger habe ich keinen. Dann baue ich die Feuerstelle etwa einen Meter meiner Konstruktion entfernt.
Die Nacht bricht herein, ich habe es gerade noch geschafft. Das Feuer hält mich warm und ich schlafe ein. Um Mitternacht beginnt es plötzlich zu regnen, ich bringe das Holz unter einen Baum ins trockene. Mein Unterschlupf ist zwar winddicht, aber nicht wasserdicht. Oberste Priorität hat das Feuer, wenn das erlöscht wird es eine unangenehme Nacht. Alle zwei Stunden wache ich auf, weil ich ohne Schlafsack friere, also lege ich Holz nach. Jedes Mal verwandelt sich mein Heim in eine Sauna, ich schlafe wieder ein. Der Unterstand schützt mich gut vor dem Wind. Die Feuerstelle ist nahe genug, dass das Feuer mich wärmt, der Rauch zieht optimal ab. In der Nacht beginnt sich der Wind sich immer wieder zu drehen. Nun bläst es den Rauch ab und zu in mein Gesicht. Ich habe die Wahl den Rauch zu akzeptieren oder das Feuer auszumachen und zu frieren. Ich entscheide mich für den Rauch.
Tag 2
Ich erwache mit einigermassen trockener Kleidung. Es ist bereits 08:30. Vom Rauch bin ich durstig. Ich folge dem Rauschen und finde einen klaren, kalten Bergbach. Die Nacht hat viel Energie gekostet. Das Feuer wärmt mich, es ist allerdings eine äussere Wärme. Ich mache meine morgendliche Meditation und atme tief durch – und stelle mich auf meine Tagesaufgabe ein.
Ich ziehe los, marschiere über zwei Stunden durch den Wald auf über 2200m ü. M. Die letzte Mahlzeit ist nun etwa 36 Stunden her. Der Magen knurrt ein wenig. Die Energie ist da, merke aber, dass ich zu wenig geschlafen habe.
Oben angekommen beginnt es schon ein bisschen zu regnen. Ich suche nach einem Felsvorsprung oder überhängenden Felsbrocken. Eigentlich liegen diese Dinger überall herum, nur wenn man sie braucht finden man keine. Und plötzlich beginnt es zu Blitzen und Donnern. Ich entschliesse mich, weiter runter zu gehen und auf dem Weg nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen. So suche ich etwa sechs Stunden nach einem trockenen und sicheren Ort – leider ziemlich erfolglos. Entweder war der Boden nass, zu felsig, voller beissender Ameisen oder es schützt mich nicht vor dem inzwischen einbrechenden Sturm. Jedes mal bleibt die Frage: bleiben und akzeptieren oder weiterziehen in der Hoffnung auf eine bessere Möglichkeit?
Ein Sturm zieht auf!
Endlich finde ich eine überhängende Felswand. Viele umgestürzte Bäume und heruntergefallene Felsbrocken zeugen von instabilem Gelände. Es beginnt wieder zu regnen, diesmal jedoch sehr stark. Ich kann gerade noch ein wenig Holz und ein bisschen Moos sammeln, das mich vor Kälte und den unbequemen Steinen schützt. Leider viel zu wenig. Es giesst wie aus Kübeln, die Temperatur sinkt rapide und ein eisiger Wind zieht um die Felswand. Der Regen wird genutzt für eine kleine Pause. Ich setze mich hin, mir wird bitterkalt. Ich habe sehr viel Energie gebraucht, aber keine zu mir genommen. Seit dem Morgen bin ich ohne Rast und habe nichts gegessen – nicht einmal die leckeren Pilze, Heidel- und Himbeeren habe ich angerührt. Mann war das schwer die Finger davon zu lassen.
Das Wasser tropft in meine Feuerstelle, ich muss wieder umplanen und gehe nochmals raus, um mehr Holz zu sammeln. Die Feuerstelle muss geschützt werden. Durch die Bewegung und das Adrenalin beginnt mein Körper förmlich an zu glühen. Ketone aus der Leber werden freigesetzt. Das sorgt für einen Energie-boost. Sobald ich mich hinsetze wird mir wieder bitterkalt, mein Körper fällt wohl in den Ruhezustand, um Energie zu sparen. Was soll ich tun? An ein wärmendes Feuer ist nicht einmal zu denken – es giesst aus Kübeln. Soll ich die Challenge unter allen Umständen durchziehen? Ich könnte mich die ganze Nacht in Bewegung halten und mich so warm halten – Liegestützen, Rumpfbeugen, etc. machen. Es blitzt und donnert, Steine rollen den Hang herunter.
Es wird gefährlich
Ich entscheide die Challenge abzubrechen. Das Risiko ist mir zu hoch – safety first! Zugegeben, es würde auch eine extrem nasse, kalte und unbequeme Nacht vor mir stehen. Ich marschiere nach Hause, wieder beginnt mein Körper zu glühen. Hunger habe ich nicht wirklich, spüre ein leichtes Ziehen im Magen. Gedanken kommen hoch. Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen? Was hätte ich besser machen können? Wie hätte ich mich vor dem Regen schützen können ohne meine Regeln zu verletzen? Ich lasse meine Gedanken beiseite, morgen werde ich mir die Überlegungen machen.
Ich bin zu Hause, lasse ein heisses Bad ein. Wooooow, das ist unglaublich herrlich. Und erst das weiche, warme Bett ist unbeschreiblich. Gute Nacht!
Tag 3
Ich wache auf, und lasse den Moment von dem herrlichen Bett noch ein wenig auf mich wirken. Wie jeden Morgen mache ich meine Meditation. Der Magen knurrt ordentlich. Frühstück und eine Tasse Kaffee ist angesagt. Mit Hochgenuss und Dankbarkeit trinke ich den Kaffee.
Analyse der Entscheidungen
Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen? Am ersten Tag auf jeden Fall. Der Unterschlupf war trotz der kurzen Zeit gut und stabil gebaut. Die Feuerstelle hatte die optimale Distanz zum Schlafplatz. Der Rauch zog ab, die Wärme blieb drinnen. Der Standort in der Waldgrenze mit viel Holz, dem Bach in der Nähe und der Wiese ist gut und SAC-Konform gewählt.
Am zweiten Tag waren meine Entscheidungen weniger glücklich. Der herannahende und unerwartete Sturm hat die Situation kompliziert gemacht und viele Fragen aufgeworfen. Ich hätte von Anfang an in tiefere Lagen gehen sollen, statt mir einen schönen Platz hoch oben zu suchen, um noch ein paar schöne Fotos zu schiessen. Somit hätte ich möglicherweise früher einen Unterschlupf gefunden und mehr Energie in den regensicheren Bau invertieren können.
War ich zu idealistisch unterwegs? Mit drei Gegenständen auf 2100m ü. M. in den Alpen raus zu gehen ist schon eine grosse Herausforderung. Zudem wollte ich keine Bäume fällen, ist ja auch verboten. Intakte Äste abschneiden wollte ich auch nicht. Nahrung zu mir nehmen, um genug Wärme zu generieren, obwohl ich im Wald genug Beeren gefunden hätte, wollte ich auch nicht. Ja, ich habe mir strenge Regeln auferlegt. Das hat es nicht einfacher gemacht. Die Regeln habe ich ohne Wenn und Aber durchgezogen und die unmittelbaren Folgen erlebt. In einer Notsituation hätte ich das anders gemacht, und andere Entscheidungen getroffen.
Fazit
Ich finde es immer wieder spannend zu analysieren, welche rationalen und irrationalen Entscheidungen man in der Natur trifft. Und wie sich Kopf, Körper und Geist in der Natur verhält, sich anpasst und entwickelt. Ich habe alle meine Sinne gebraucht und somit geschärft. Den Körper habe ich dazu genutzt, wozu er gemacht wurde und und das tut gut. Man braucht die Lunge, die Gelenke, die Muskeln, die Augen, die Ohren, den Tastsinn und der Arven-Wald hier riecht einfach fantastisch. Man analysiert laufend die Situation, sucht nach Lösungen, trifft Entscheidungen, kalkuliert Risiken oder Aufwand und Ertrag. Ich wollte ans Limit gehen einfach um zu sehen, wie Kopf, Körper und Geist reagieren in der Natur reagieren.
Das Bewusstsein, dass die Natur sehr schön aber auch unerbittlich sein kann und einem alles abverlangt, lehrt mich Dankbarkeit und Demut. Ein sicheres Zuhause, ein warmes Bett, gesunde Nahrung und sauberes Wasser nehmen wir oft als selbstverständlich wahr – es ist unbezahlbar.
VIVA
Marco Balz – Tulita
Hi Marco,
great adventure – great experience. Was machst du wenn der Regen kommt?!
Hallo Andi,
Danke für deine Nachricht.
Der Regen macht die ganze Sache viel komplizierter. Grundsätzlich sollte man von höheren Lagen in tiefere weil es dort ein bisschen wärmer Regnet und man auch besser vor dem Wind geschützt ist. Es ist sehr schwierig einen geschützten Ort zu finden. Unter einem grossen Baum möchte ich kein Feuer machen, weil ich die Wurzeln schädigen könnte und der Baum dann absterben könnte. Bleiben noch grosse Felsbrocken oder überhängende Felsen. Es sollte aber einigermassen gerade sein und genug platz für ein Feuer haben. Natürlich kann man auch eine Art Bett bauen. Das braucht aber Zeit, Energie und Platz.
Das ist dann ein Projekt für das nächste mal. Weniger extrem, leckeres Essen und mehr Zeit etwas zu bauen, ist auch sehr spannend.
Bis bald
Marco
mann… was für ein abenteuer! nimmst du auch mal leute mit? würde gerne mal sowas machen… grüsse vom sofa😜
Hallo Radicci,
Ja, ich nehme auch Leute im Rahmen einer Survival Week mit raus. Es ist eine tolle Herausforderung für Kopf, Körper und Geist. Ausserdem ist es eine schöne Lebenserfahrung. Ich würde allerdings empfehlen zusätzlich einen Schlafsack, Isomatte, ein Tarp mitzunehmen und eine Pfanne. Das macht es ein bisschen angenehmer und berechenbarer. Das Programm wird nach Kundenwunsch individuell abgestimmt.
Hoch vom Sofa, rein in die Natur!
Liebe Grüsse
Marco – Tulita
Wie hat dein Trip geendet?!
Hallo Andi,
ich habe das Update online gestellt.
Die Fotos werde ich heute Abend in der Story hochladen.
Marco – Tulita
Hallo Marco
Wie war es mit dem Hunger? hast du was zu Essen gefunden?
Grüsse, Alex
Hallo Alex
mit dem geht das ganz gut. Man kann sich auf die Situation vorbereiten und der Körper stellt sich darauf ein. Es gibt irgendwann keine Glukose mehr die der Körper verarbeiten kann. In der Leber werden Ketone produziert und aus Bauchspeck wird Energie gewonnen. Ausserdem ist man immer in Bewegung, hat immer etwas zu tun, da denke ich gar nicht an den Hunger. Ein wesentlicher Punkt ist die Möglichkeit respektive die Erreichbarkeit von Nahrung. Zuhause fällt es mir sehr schwer nur ein paar Stunden nichts zu essen. Dort siehst du die Nüsse, Chips und Kekse. Unterwegs riechst du den Bäcker, die Pizzeria oder die Wurstbude, da läuft einem schon das Wasser im Mund zusammen. Dann wirst du durch Werbung beeinflusst, die dir sagt was du unbedingt essen musst. Es gibt tausend Möglichkeiten und Gründe schnell etwas zu essen. Ich hatte zwar eine Notfallration dabei um in einer brenzligen Situation Energie zu haben um runterlaufen zu können.
Ich hätte Pilze sammeln können, es ist aber Schonzeit bis am 10. September – das respektiere ich. Zudem hätte es haufenweise Heidelbeeren und Himbeeren gegeben, Arvenharz in den Fireweed Tee…
Hallo Marco
Coole Idee! Hoffentlich bist du nicht krank geworden! Bin gespannt auf deinen nächsten Beitrag 👍
Hallo Rahel,
danke für deine Nachricht. Nein ich bin nicht krank geworden, habe nicht mal ein schnupfen. Bin es gewohnt draussen zu sein. Der Körper gewöhnt sich daran.
Ja ich habe schon eine Idee für den nächsten Beitrag. Es wird sicher gemütlicher, an einem schönen Ort etwas bauen und etwas leckeres kochen.
Liebe Grüsse
Marco
Hallo Marco, vielen Dank für Deinen spannenden und ehrlichen Bericht! Du schreibst als Antwort an Rahel, dass Du nicht krank geworden bist, weil Du viel draussen bist und sich der Körper daran gewöhnt. Wie ist es denn, wenn man sich das nicht so gewohnt ist? Ich bin ein Stadtmensch, würde aber sehr gerne mal ein solches Abenteuer erleben.
Hallo Maya
Ich gehe davon aus, dass Immunsystem sich an den Ort anpasst, an dem man lebt. Meines Wissens werden Krankheiten durch Viren übertragen, nicht durch Kälte. In der Stadt sind Menschengruppen näher zusammen und deshalb anfälliger respektive den Viren stärker ausgesetzt. Wenn man schon erkältet ist und dann in die Kälte geht, ist das nicht optimal. Du kannst dich vorbereiten, indem du nach der warmen Dusche dich noch eine Minute lang kalt abduschst. Ausserdem hilft es Stress zu reduzieren, auf gesunde Ernährung zu achten und sich viel zu bewegen. Zudem gibt es technische Bekleidung und Schlafsäcke die schön warm halten. Es ist auf jeden Fall nicht so, dass man gleich krank wird nach einem Tag in der Natur.
Wie im Blog beschrieben, war das eine Challenge für mich persönlich. Dieses Abenteuer wird individuell den Kundenwünschen angepasst, du kannst entscheiden wie du es erleben möchtest – eher warm und etwas Komfort oder weniger Komfort. Es gibt eine ordentliche Schulung zum Thema und dann heisst es learning by doing. Wird interessant was welche Entscheidungen du triffst 🙂
Liebe Grüsse
Marco